Anne-Claude Demierre

Anne-Claude Demierre ist Staatsratspräsidentin des Kantons Freiburg und steht seit 2006 der Direktion für Gesundheit und Soziales vor. Vor ihrer Wahl in den Staatsrat leitete sie von 1991 bis 2006 als Gemeinderätin in La Tour-de-Trême und nach der Gemeindefusion in Bulle verschiedene Abteilungen (Schulen, Soziales, Kultur, Sport und Tourismus). Von 1996 bis 2006 war sie Abgeordnete des Greyerzbezirks im Grossen Rat. Vor ihrer politischen Karriere arbeitete sie als Buchhändlerin im Musée gruérien in Bulle und war zugleich als Buchhaltungssekretärin in einem KMU des Glanebezirks tätig. Anne-Claude Demierre ist verheiratet und Mutter von 3 Kindern.

«Auch Kader wollen heute Familienverantwortung und Berufstätigkeit vereinbaren können»

Was macht für Sie gute und zeitgemässe Führung aus?
Als Staatsrätin übernehme ich Verantwortung und muss Entscheidungen treffen. In meiner Direktion erlebe ich tagtäglich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit ihren Aufgabenbereichen identifizieren und sich für die Erreichung ihrer Ziele einsetzen. Kader sorgen dafür, dass die Grundsatzentscheide gefällt werden, dass die gemeinsamen Wertvorstellungen konkret Form annehmen und dass die verschiedenen Bestrebungen aufeinander abgestimmt sind.

Das Verwaltungsmanagement steht im Spannungsfeld zwischen politischen Vorgaben und unternehmerischen Anforderungen. Wie gehen Sie damit um?
Staatliches Handeln ist für die gesamte Bevölkerung da. Wir können uns nicht auf bestimmte «Klienten» beschränken. Die soziale Ausgleichsfunktion des Staats ist ein Erfolgsfaktor der Schweiz. Wir müssen mit sehr vielen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, sei es wegen der föderalistischen Staatsstruktur (Bund, Kantone und Gemeinden), sei es wegen der Gewaltenteilung (Parlament, Regierung und Verwaltung). Es gibt aber viele Gemeinsamkeiten zwischen politischen Vorgaben und unternehmerischen Anforderungen. Auch für Unternehmen ist es wichtig, dass die Destinatäre zufrieden sind, denn auch sie haben keine unbeschränkten Ressourcen und müssen ihre Mittel zielorientiert einsetzen. Will ein Unternehmen langfristig Erfolg haben, muss es ebenfalls langfristig planen.

Der Frauenanteil im Topkader des öffentlichen Sektors ist mit 20% doppelt so hoch wie in der Privatwirtschaft. Welchen Faktoren verdankt der öffentliche Sektor seine Vorreiterrolle in Sachen Gender Diversity?
Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es. In Freiburg haben wir einen «Plan für die Gleichstellung von Frau und Mann in der kantonalen Verwaltung» ausgearbeitet. Der Staat Freiburg integriert die Gleichstellungsthematik in sein Nachwuchsförderprogramm und will flexible Arbeitszeitmodelle anwenden. Meine Direktion ist offen für Teilzeitstellen, und zwar auch für Kaderpositionen. Ein solches Stellenprofil macht uns attraktiv für kompetente Frauen.

Sie haben letztes Jahr zwei neue Generalsekretärinnen der Direktion für Gesundheit und Soziales ernannt, die sich das Amt im Jobsharing teilen. Welche Vorteile bietet dieses Modell, und wo liegen die Herausforderungen?
Jobsharing setzt ausgeprägte Kompetenzen bezüglich der Persönlichkeit, der Kommunikations- und Teamfähigkeit voraus. Wenn die Zusammenarbeit klappt, haben wir eine Win-win-Situation. Dank komplementären Profilen hat meine Direktion mehr Know-how. Wir finden kreativere Lösungen, weil mehr Ideen und Überlegungen einfliessen. Zudem wollen heute auch Kader Familienverantwortung und Berufstätigkeit vereinbaren können.

Welche Möglichkeiten bieten Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung, die im Allgemeinen zu wenig wahrgenommen werden, aber attraktiv wären für Führungskräfte aus der Privatwirtschaft?
Die öffentliche Verwaltung bietet vielerlei Möglichkeiten und Herausforderungen: sinnvolle Aufgaben im Dienste der Bevölkerung, Aufgaben von regionaler, überregionaler oder nationaler Bedeutung, anspruchsvolle Aufgaben in einem komplexen politischen Kontext, wobei es oft darum geht, pragmatische Lösungen mit Partnern auszuhandeln (Konsensfindung), hohe Verantwortung, da öffentliche Mittel eingesetzt werden und die Bevölkerung sowohl als Nutzniesserin öffentlicher Projekte als auch als Auftraggeberin direkt betroffen ist, und letztendlich Arbeit in vielfältigen Netzwerken, mit der Möglichkeit zu interdisziplinärem Austausch. Ich bin überzeugt, dass viele Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung ihr Glück finden können.