Michael Süss

Prof. Dr. Michael Süss ist seit 2015 Präsident des Verwaltungsrats von Oerlikon und seit 2022 Executive Chairman sowie Vorsitzender der Konzernleitung. Nach dem Maschinenbaustudium an der TU München promovierte er an der Universität Kassel, 2015 wurde ihm der Titel Honorarprofessor an der TU München verliehen. Nach verschiedenen Positionen bei BMW, IDRA Presse S.p.A und Porsche AG wurde er 1999 in den Vorstand der Mössner AG berufen. Nach deren Übernahme durch Georg Fischer wurde er Vorstandsvorsitzender der GF Mössner GmbH. Von 2001 bis 2006 war er COO bei der MTU Aero Engines AG und trug massgeblich zum Börsengang bei. Von 2007 bis 2011 war er bei Siemens tätig, zuletzt als CEO des Sektors Energie und Mitglied der Geschäftsleitung der Siemens AG, und im Anschluss daran war er CEO der deutschen Georgsmarienhütte Holding.

«Mit unseren Produkten tragen wir weltweit zu einer besseren Nachhaltigkeit bei»

Welches sind die Hauptthemen, die Sie aktuell in Ihrer Verwaltungsratstätigkeit beschäftigen?
Aktuell ist dies vor allem die Geopolitik. Es geht um die Fragen von Lieferketten, Absatzmärkten, politischer Verlässlichkeit und regional unterschiedlichen Interessenlagen, da wir global produzieren und liefern.

Wie veränderten sich die Ansprüche an die Verwaltungsratsarbeit im Hinblick auf die weltweit immer schnelleren wirtschaftlichen Veränderungen sowie die zunehmende Kadenz von Extremereignissen?
Wir haben bei Oerlikon eine grosse Bandbreite an Produkten, Kunden und Märkten. Der Verwaltungsrat muss wesentlich komplexer und bewusst unternehmerisch bzw. fast schon politisch denken, wenn es um die Entwicklung der mittel- und langfristigen Strategie des Unternehmens, aber auch um die Positionierung des Unternehmens geht.

Welche Kompetenzen werden mit Blick darauf zunehmend wichtiger im Verwaltungsrat?
Wir versuchen, die Länderspezifika und die verschiedenen Industrien, in denen Oerlikon tätig ist, im Verwaltungsrat abzubilden. Unsere 8 VR-Mitglieder haben in der Summe die nötige Bandbreite an Business-Verständnis, die Nähe zum Geschäft in den Regionen und verstehen die Bedürfnisse der Märkte sowohl technologisch als auch kommerziell. Wichtiger wurde in den letzten 6 bis 8 Jahren die gesamtheitliche Sicht, um Themen in der mittleren und der langfristigen Wachstumsperspektive beurteilen zu können. Im Zentrum stehen die Resilienz der Lieferketten, die Folgen globaler Aussetzung von Märkten und eine neue Art der lokalen Wertschöpfung, welche das Exportmodell zunehmend infrage stellt.

Der ökologische Fussabdruck der Schweizer Unternehmen ist gross. Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit bei OC Oerlikon, und wie veränderten ökologische Überlegungen die Schwerpunkte der Verwaltungsratsagenda?
Bei Oerlikon wollen wir bis 2030 CO2-neutral sein bezüglich Scope-1- und Scope-2-Emissionen. Interessanter ist, wie wir mit unseren Produkten weltweit zu einer besseren Nachhaltigkeit beitragen können. Allein mit unseren Beschichtungen in den Flugzeugtriebwerken spart die Luftfahrtindustrie jährlich 25 Mio. Tonnen CO2 ein. Mit unseren Anwendungen haben wir den ganz grossen Hebel. Wir müssen moderne Produkte anbieten, die sich unsere Kunden weltweit leisten können und deren Mehrwert sie sehen.

56% der neuen Geschäftsleitungsmitglieder und 44% der neuen Verwaltungsratsmitglieder haben keinen Schweizer Pass – beides Spitzenwerte der letzten 18 Jahre. Worauf führen Sie dies zurück?
Die Welt ist deutlich geopolitischer und multipolarer geworden, und dies schlägt sich in den Führungsgremien nieder. Als globales Unternehmen ist man auf den weltweiten Talent Pool angewiesen. Es braucht an der Spitze das Know-how aus den lokalen Märkten. Zudem ist die Schweiz ein attraktiver Standort für ausländische Managerinnen und Manager aufgrund der hohen Stabilität und der sozialen Sicherheit, die wir für unsere maximale Performance brauchen.

Im Zuge der demografischen Entwicklung werden schon bald mehr Führungs- und Fachkräfte pensioniert, als nachfolgen werden. Wie gehen Sie bei OC Oerlikon mit dem zunehmenden Fachkräftemangel um? Welche strategischen Massnahmen haben Sie eingeleitet, um dem zu begegnen?
Wir bilden selber sehr viel aus und arbeiten mit Hochschulpartnerschaften. Dabei orientieren wir uns sehr stark entlang der regional spezifischen Gegebenheiten. Wir rekrutieren global und erfreuen uns einer sehr guten Nachfrage aufgrund der Attraktivität unserer Technologien.

In einigen Jahren wird der Grossteil der Arbeitnehmenden der Generation Z zugehören. Wie zieht Ihr Unternehmen diese Zielgruppe an, und was erwarten Sie von dieser Zielgruppe zur Weiterentwicklung Ihrer Firma?
Diese Generation legt Wert auf Nachhaltigkeit, und wir arbeiten intensiv daran, unsere Produkte nachhaltiger zu machen. Es gibt bei uns die Möglichkeit für flexibles Arbeiten. In München unterhalten wir zudem einen Digital Hub, damit wir am Puls der Zeit sind, um für die Gen Z attraktiv zu sein. Für diese Generation ist der Purpose entscheidend, deshalb zeigen wir echte Gestaltungsmöglichkeiten im Unternehmen auf.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Unternehmenskultur seit 2019 verändert, und wie nehmen Sie in Ihrer Doppelrolle als Präsident und CEO darauf Einfluss?
Wir haben seit 2019 einen starken Fokus auf gegenseitigen Respekt, Neugier, Zusammenarbeit und Erfolgsorientierung gelegt. Durch die unternehmensweiten Townhalls, die dreimal im Jahr stattfinden, stellen wir einen Austausch zwischen unseren Mitarbeitern und der Unternehmensleitung sicher. Das ist eine Reise, auf welcher wir uns wohl fühlen und weiterbewegen wollen.