Nadja Lang

Nadja Lang ist CEO und Delegierte des Verwaltungsrats der Genossenschaft ZFV-Unternehmungen. Zuvor war sie zwei Jahre lang Mitglied des Verwaltungsrats und drei Jahre auch dessen Präsidentin. Die studierte Betriebswirtschafterin startete ihre berufliche Karriere 1999 bei The Coca-Cola Company, bei der sie diverse Führungspositionen im Brand Management sowie in der Innovationsabteilung innehatte. Anschliessend war sie als European Marketing Manager für Marken- und Innovationsstrategien bei General Mills Europe in London und Nyon tätig. Von 2005 bis 2017 arbeitete
sie für Max Havelaar, zunächst als Commercial Director und später als CEO. Sie ist Mitglied
des Verwaltungsrats der Emmi Gruppe sowie der Pax Lebensversicherungen; davor war sie Mitglied mehrerer Verwaltungsräte unter
anderem der Schweizerischen Post AG.

«Isolierte Frauenförderung ist ein Auslaufmodell»

Wie sehen Sie die Entwicklung von Führung in Zeiten von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz, Individualisierung aufseiten der Arbeitnehmenden und Agilität?
Anpassungsfähigkeit und die Betonung menschlicher Fähigkeiten und Kompetenzen werden noch wichtiger. Die Art und Weise, wie Führung verstanden und umgesetzt wird, bleibt ein prägendes Element der Unternehmenskultur. Der ZFV setzt auf OKR (Objectives and Key Results), eine agile Management-Methode, um effektiv an Visionen und Strategien zu arbeiten. Unsere Teams gestalten ihren Beitrag selbstbestimmt, was die unternehmerische Verantwortung stärkt und eine Kultur der Innovation und Inklusion fördert.

Die Unternehmen erreichen aktuell die Geschlechterrichtwerte im Verwaltungsrat von 30% und in der Geschäftsleitung von 20%. Wie geht es aus Ihrer Sicht weiter im Generationenprojekt Gender Diversity?
Ich bin überzeugt, dass es neue Wege braucht: Isolierte Frauenförderung ist ein Auslaufmodell. Auch junge Männer werden z.B. heute häufig in ihren Bedürfnissen zu wenig berücksichtigt. Wir brauchen dazu aber weitere Veränderung bei den Unternehmenskulturen. Wir müssen wieder vermehrt auf das «Gemeinsam mit allen» setzen. Durch eine inklusive Unternehmenskultur möchten wir generell unterschiedlichen Menschen mit diversen Lebensentwürfen Entwicklungsmöglichkeiten bieten können.

Der Frauenanteil in Ihrer Geschäftsleitung liegt bereits über dem geforderten Minimum von 20%. Wie haben Sie dies erreicht, und welche weiteren Ziele verfolgen Sie?
Die Förderung von Frauen ist Teil der Identität der ZFV-Unternehmungen. Schon vor 130 Jahren haben sich unsere Gründerinnen vehement für die Rechte der Frauen in der Gastronomie eingesetzt. Diese historische Verankerung prägt uns bis heute. Durch ein internes Talentmanagementprogramm fördern wir gezielt Mitarbeitende für die nächsthöhere Stufe. Ist eine Frau in einer Führungsposition, ist es zentral, Arbeitszeitmodelle wie beispielsweise Jobsharing oder Teilzeitmöglichkeiten anzubieten, bei denen die Familienzeit nicht zur Karrierebremse wird.

Gemäss unseren Erhebungen blieben die Frauen, die vergangenes Jahr aus den Geschäftsleitungen austraten, 3 Jahre im Amt. Warum scheiden aus Ihrer Sicht Frauen schneller aus diesen Positionen aus?
Ich habe zwei Hypothesen: Erstens bevorzugen Frauen möglicherweise eine andere Unternehmenskultur. Nur die Beförderung weniger Frauen in Geschäftsleitungspositionen reicht nicht aus, um kulturelle Veränderungen herbeizuführen. Zweitens setzen Frauen wohl andere Prioritäten und ziehen, wenn es für sie nicht stimmt, eher weiter. Dies wird dadurch begünstigt, dass sie oft nicht alleinverdienend sind, es steuerliche Nachteile für Doppelverdienende gibt und die Betreuungskosten für Kinder oft sehr hoch sind. Hier braucht es neue politische Rahmenbedingungen.

Sie sprechen die Rahmenbedingungen an, die es für die Förderung von Diversität braucht. Was meinen Sie damit aus Unternehmenssicht konkret?
Zentral ist eine Unternehmenskultur, die sich durch starke Werte und eine inspirierende Vision auszeichnet. Sie ist dann effektiv, wenn sie authentisch ist, eine positive und respektvolle Arbeitsatmosphäre schafft und im Unternehmen gelebt wird. Einflussfaktoren sind z.B. Leadership-Prinzipien, die partizipativ mit den Mitarbeitenden und einem diversen Team entwickelt und umgesetzt werden. In Bezug auf Arbeitszeitmodelle und Unterstützung ist es auch wichtig, junge Eltern auf dem Radar zu haben. Dass dieses Thema junge Männer ebenso beschäftigt, erlebe ich immer wieder im Austausch. Als Unternehmen oder Gesellschaft müssen wir künftig stärker in «Elternzeit und individueller Förderung» statt in «Mutterschaftsurlaub und Frauenförderung» denken.