Romeo Lacher

Romeo Lacher, Jahrgang 1960, ist seit 2019 Präsident des Verwaltungsrats der Julius-Bär-Gruppe und der Bank Julius Bär & Co. Von 2008 bis 2020 gehörte er dem Verwaltungsrat der SIX Group an — erst als Vizepräsident, und ab März 2016 präsidierte er das Gremium. Einen Grossteil seines Berufslebens hat der promovierte Ökonom der Universität St. Gallen bei der Credit Suisse verbracht. 2017, als Lacher die Bank verliess, war er Chief Operating Officer im International Wealth Management gewesen. Seit 2016 ist er Vizepräsident des Verwaltungsrats des Swiss Finance Institute, und seit Mai 2021 amtet er als Vizepräsident des Bankrats der Schweizerischen Nationalbank.

«Unser Ziel sind diverse Boards, Gender ist dabei nur ein Element»

Welche Learnings für die strategische Führung nehmen Sie aus der Corona-Situation mit?
Wir haben auch während der Pandemie alles darangesetzt, die verabschiedete Strategie konsequent umzusetzen. Taktisch mussten wir einzelne Prioritäten neu ordnen. Wir haben den Austausch im Verwaltungsrat und zur Geschäftsleitung intensiviert, um die richtigen Massnahmen zu initiieren und zu unterstützen. Neue Themen kamen auf die Agenda, gewisse IT-Investitionen wurden vorge­zogen. Im Verwaltungsrat sind wir dazu übergegangen, in kürzeren Abständen ausserordentliche Sitzungen virtuell abzuhalten. Der informelle Austausch kam anfangs sicher zu kurz. Dem bin ich durch regelmässige Kontakte zu den einzelnen Mitgliedern begegnet.

Welche strategischen Massnahmen betreffend Gender Diversity haben Sie auf Stufe Verwaltungsrat und Geschäftsleitung definiert?
Unser Ziel ist es, einen diversen Verwaltungsrat und eine diverse Geschäftsleitung zu haben. Gender ist dabei nur ein Element. Der internationale Fussabdruck unseres Unternehmens soll sich genauso im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung spiegeln. Deshalb möchte ich den Verwaltungsrat bei künftigen Besetzungen auch geografisch und fachlich stärker diversifizieren. Im Verwaltungsrat haben wir momentan einen Anteil von 40% Frauen erreicht. Dieser Anteil könnte auch bei 60% lie­gen, aber echte Diversität—nicht nur im Sinne von Gender — ist für mich wichtiger als eine reine Zahl.

Welche Resultate haben diese Massnahmen bereits gezeigt?
Eine grössere Diversität auf Managementebene braucht Zeit und kann nicht erzwungen werden. Es braucht das Commitment von oben sowie eine hohe Kontinuität und Persistenz. Im Talent Development arbeiten wir konsequent daran und messen dies seitens Verwaltungsrat jährlich anhand klarer Ziele. Die Frauenanteile im Management steigen kontinuierlich, an diesem Momentum wollen wir festhalten.

Sie präsidieren den Verwaltungsrat der Bank Julius Bär, in dem vier von zehn Sitzen mit Frauen besetzt sind. Welche Vorteile sehen Sie in der diversen Zusammensetzung?
Frauen bringen andere Perspektiven und Werte ein und bereichern so die Diskussionen. Mit vier Vertretungen haben sie Gewicht und Einfluss. Sie bringen Themen wie Nachhaltigkeit oder Purpose, also wofür die Bank steht und in Zukunft stehen will, permanent auf den Tisch, und sie achten bei Neubesetzungen von Führungspositionen auf die Ausgewogenheit der Longlist.

Welche Kompetenzen werden zunehmend wichtiger im Verwaltungsrat angesichts immer schnellerer wirtschaftlicher und techno­logischer Veränderungen?
Vor allem mit Blick auf den technologischen Wandel und Nachhaltigkeit —dazu gehört Sustainable Finance ebenso wie die Digitalisierung — müssen wir unsere Kompetenzen erweitern. Ohne dabei aber die Kernkompetenzen zu vernachlässigen. Daher bevorzuge ich Anwärter und Anwärterinnen für den Verwaltungsrat, die über die nötigen Kernkompetenzen verfügen und zugleich Know-how auf einem Zukunftsfeld mitbringen.

Automatisierung und Digitalisierung prägen das heutige Arbeiten. Wie begegnen Sie diesen Trends?
Als Bank sind wir in einem Interaktions- und Vertrauensbusiness, und Vertrauen braucht persönliche Interaktionen und räumliche Nähe. Gleichwohl sehen wir, dass Kunden zu vermehrter virtueller Interaktion bereit sind. Die Herausforderung wird es sein, dies in eine rich­tige Balance zu bringen, um die Vertrauensbasis optimal zu stärken. Bei den Mitarbeitenden spüren wir den Wunsch nach flexiblen Arbeitsmöglichkeiten sehr. In einem solchen potenziell hybriden Modell steigt die Anforderung an Führungsarbeit stark, weshalb die interne Julius Bär Academy bereits stark an diesem Thema arbeitet.

Was unternehmen Sie, um die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit im Verwaltungsrat zu verbessern, und welchen Stellenwert hat dabei das Board Assessment?
Externe Evaluationen lassen wir von Zeit zu Zeit vornehmen. Unser Fokus richtet sich auf fünf bis sechs jährliche Zielsetzungen für den Verwaltungsrat und seine Ausschüsse, die wir im Gremium selbstkritisch überprüfen. Zusätzlich habe ich mir als Präsident neu vorgenommen, mit jedem Mitglied einzeln über diese Ziele zu sprechen.