Ursula Nold

Ursula Nold ist seit 2019 Präsidentin der Verwaltung des Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB). Bis 2021 war sie Dozentin für Kader- und Systementwicklung an der Pädagogischen Hochschule Bern. Sie ist zudem Präsidentin des Verwaltungsrats der be-advanced AG sowie Stiftungsrätin der Pestalozzi-Stiftung und der Stiftung Bühnen Bern. Im Januar 2023 wurde sie vom Wirtschaftsmagazin «Forbes» in die Liste der führenden 50 Frauen über 50 in Europa, Middle East und Africa aufgenommen. Sie ist in Bern wohnhaft, verheiratet und Mutter von vier erwachsenen Kindern.

«Eine diverse und vielfältige Belegschaft auf allen Stufen stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen»

Welches sind die Hauptthemen, die Sie aktuell in Ihrer Verwaltungsratstätigkeit beschäftigen?
Wie die meisten Unternehmen spüren wir die Auswirkungen der Klimakrise, des Krieges in der Ukraine und von Naturkatastrophen. Steigende Rohstoff-, Energie- und Verpackungspreise sowie komplexe Lieferketten stellen die Migros vor anspruchsvolle Aufgaben. Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist, einen abgestimmten Umgang mit diesen Herausforderungen zu finden – als starke Migros-Gemeinschaft mit gleichen Werten, einer gemeinsamen Raison d’être und klaren Zielen, die uns Orientierung geben.

Wie veränderten sich die Ansprüche an die Verwaltungsratsarbeit im Hinblick auf die weltweit immer schnelleren wirtschaftlichen Veränderungen sowie die zunehmende Kadenz von Extremereignissen?
Ein heutiger Verwaltungsrat soll nicht nur Strategie- und Aufsichtsorgan sein, sondern auch für eine tadellose Compliance einstehen, Risiken erkennen und steuern sowie Social Responsibility fördern. Die Mitglieder von Verwaltungsräten sind zudem Impuls- und Taktgeber für neue Geschäftsmöglichkeiten und fördern eine gute Führungskultur. Der Verwaltungsrat stärkt also insgesamt die Resilienz im Unternehmen.

Welche Kompetenzen werden mit Blick darauf zunehmend wichtiger im Verwaltungsrat?
Ein Verwaltungsrat benötigt verstärkt agile Kompetenzen, darf nicht ausschliesslich reagieren. Unternehmen sind oft erfolgreich, weil ihre strategischen Organe als glaubwürdige Impulsgeber einen Mind Change vorgeben und auch vorleben. Eine klare Haltung, die sich neben Sachkompetenz auf Wertschätzung sowie Mut zur Erneuerung stützt, ist die charakteristische Eigenschaft eines engagierten Verwaltungsratsmitglieds. Dazu gehört auch das kritische Hinterfragen von Entscheidgrundlagen.

Der ökologische Fussabdruck der Schweizer Unternehmen ist gross. Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit bei der Migros, und wie veränderten ökologische Überlegungen die Schwerpunkte der Verwaltungsratsagenda?
Die Nachhaltigkeitsstrategie mit klar definierten Zielen wird im Verwaltungsrat diskutiert und verabschiedet. Nachhaltig denken heisst verantwortungsvoll handeln. Darauf beruht die Migros-Kultur. Die Migros-Gruppe hat ambitionierte Klimaziele definiert: Auf dem Weg zu Netto-Null sollen alle Migros-Unternehmen ihre betrieblichen Treibhausgasemissionen bis 2030 um gut zwei Drittel reduzieren. Der genossenschaftliche Detailhandel ist im Betrieb bereits seit letztem Jahr klimaneutral.

56% der neuen Geschäftsleitungsmitglieder und 44% der neuen Verwaltungsratsmitglieder haben keinen Schweizer Pass – beides Spitzenwerte der letzten 18 Jahre. Worauf führen Sie dies zurück?
Die Nachfrage nach Kompetenzen und Fachkräften ist in der aktuellen Wirtschaftsentwicklung höher, als der Schweizer Markt hergibt. Deswegen greifen viele Betriebe auf ausländische Kolleginnen und Kollegen zurück. Eine diverse und vielfältige Belegschaft auf allen Stufen stärkt dabei die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Im Zuge der demografischen Entwicklung werden schon bald mehr Führungs- und Fachkräfte pensioniert, als nachfolgen werden. Wie gehen Sie bei der Migros mit dem zunehmenden Fachkräftemangel um? Welche strategischen Massnahmen haben Sie eingeleitet, um dem zu begegnen?
Mit einer vielfältigen Unternehmenskultur und der Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben schafft die Migros attraktive Anstellungsbedingungen für alle Lebensmodelle. Diese Rahmenbedingungen sind im neuen Landesgesamtarbeitsvertrag festgehalten. Zusätzlich unterstützen wir die Gesundheit und die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Wichtig ist zudem, dass die Migros-Gruppe für eine Raison d’être einsteht, für die sich Mitarbeitende gerne einsetzen. So hat sich die Migros-Gruppe zum Ziel gesetzt, sich in der Schweiz wie kein anderes Unternehmen für Bildung, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Inklusion und Kultur zu engagieren.

In einigen Jahren wird der Grossteil der Arbeitnehmenden der Generation Z zugehören. Wie zieht Ihr Unternehmen diese Zielgruppe an, und was erwarten Sie von dieser Zielgruppe zur Weiterentwicklung Ihrer Firma?
Ich erlebe die jungen Leute als sehr motiviert. Sie engagieren sich für die Gesellschaft, die Umwelt und fordern dafür Unterstützung – dies bietet die Migros. Die Generation Z sind Digital Natives – so werden sie die Migros-Gruppe und ihre Angebote positiv beeinflussen.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Unternehmenskultur seit 2019 verändert, und welchen Einfluss hatte dies auf die Zusammenarbeit von Ihnen als Präsidentin mit dem CEO?
In den letzten Jahren hat sich eine Unternehmenskultur etabliert, die vermehrt von einer Zusammenarbeit über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg geprägt ist. Das erfordert regelmässigen Austausch. So habe ich jede Woche ein Gespräch mit dem CEO, bin im regelmässigen Austausch mit den Mitgliedern der Verwaltung sowie der Generaldirektion, den regionalen Genossenschaften und Tochtergesellschaften. Dieser Austausch und das Ringen um die besten Lösungen bereiten mir Freude.